Obdach Ester ist ein Tageszentrum für obdachlose Frauen, das 365 Tage im Jahr geöffnet hat. Obdach Ester bietet Schutzraum für Frauen von der Straße sowie eine Basisversorgung: Aufenthalt in einem trockenen, warmen Raum, Möglichkeiten zur Körperhygiene, Bekleidung und Lebensmittel sowie Beratungs- und medizinische Begleitangebote.
Bis vor kurzem war die Heimat von Obdach Ester im 6. Wiener Gemeindebezirk; im Jahr 2021 fand dann der Umzug ins Cape 10 – Haus der sozialen Innovation und Zukunft in den 10. Bezirk statt. Wir durften das Team von Obdach Ester beim Umzug begleiten und dabei unterstützen, die vielen Aspekte dieses Veränderungsprozess sinnvoll zu integrieren. Im Gespräch mit Kibar Dogan, Teamleiterin von Obdach Ester, lassen wir das Jahr noch einmal Revue passieren.
Auf die Herausforderungen angesprochen, die so ein Umzug mit sich bringt, überlegt Kibar nicht lange und nennt uns gleich vier.
“Wenn ich zurückblicke, dann würde ich diese Zeit durchaus als große Herausforderung bezeichnen,” sagt Kibar. “Wenn sich alles auf einmal ändert, ist das natürlich eine Chance, weil man einen wirklich großen Schritt in die Zukunft machen kann – aber es fühlt sich über weite Strecken unsicher an.” Die Verantwortung, das Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen, war groß. Wäre sie ausgefallen, hätte das den Erfolg des gesamten Projekts gefährdet. Und genau an dieser Stelle sieht Kibar auch einen großen Vorteil in der dualen Führung.
“Ich empfinde die ‘duale Führung’, wenn sie funktioniert, als wahnsinnig wertvoll. Man kann sich austauschen, sich gegenseitig vertreten, Aufgaben aufteilen, man trifft Entscheidungen gemeinsam. Und, für mich wahrscheinlich das Wichtigste, man ist als Führungskraft nicht mehr so einsam”, meint Kibar.
Wir fragen, was es braucht, damit duale Führung funktioniert, und erhalten eine klare Ansage.
Und trotzdem ist die duale Führung immer noch ein Ausnahmemodell.
“Einerseits steht dem sicher noch das Selbstbild der Führungskräfte im Weg. Duale Führung ist nichts für Ego-Führungskräfte. Bei der dualen Führung geht es darum, auch den anderen “strahlen” zu lassen,” betont Kibar. Darüber hinaus müssten aber auch organisationale Rahmenbedingungen geschaffen werden, die diese Veränderung im Selbstbild der Führungskräfte zulassen und unterstützen; zum Beispiel durch Ausbildungsprogramme, die nicht primär auf die Schulung neuer Methoden abzielen, sondern auf Reflexionsfähigkeit und auf persönliche Veränderung auf einer Haltungsebene.
Wir fragen noch einmal nach: “Was möchtest du anderen Führungskräften, die vor einem Veränderungsprozess stehen, mit auf den Weg geben?”
Kibar überlegt nicht lange: “Was wirklich geholfen hat, war, dass wir lange geplant haben. Für viele Neuerungen haben wir gemeinsam Abläufe erarbeitet, sie mehrmals besprochen und ausprobiert. Es kommt dann sowieso immer anders, aber eine Basis zu haben, von der aus man improvisiert, gibt Sicherheit.” Und weiter? “Die Status-Quo-Treffen bei euch im (theLivingCore-)Büro waren immer etwas Besonderes. Es war so wie wenn man auf eine Insel fährt, dort seine gedanklichen Mitbringsel ausleert, neu sortiert und dann mit einer neuen Ordnung wieder in den Alltag geht. Das hat extrem geholfen.
Auch die Teamklausuren waren so eine Auszeit, davon hätten wir noch mehr machen sollen: sich Zeit nehmen, um Ängste und Wünsche zu besprechen. Und sich darauf besinnen, wofür wir das alles machen: für unsere Klientinnen. Was mir dabei besonders in Erinnerung bleibt, ist, dass ihr die Klausuren immer sehr vielfältig gestaltet habt; aber niemals mit Übungen, bei denen man das Gefühl hat, man soll sich lächerlich machen. Die Arbeit im gesamten Prozess war immer geprägt von Wertschätzung, aufrichtigem Interesse an den Personen und von dem Willen, jeden sinnvoll miteinzubeziehen.”
Bei Obdach Ester hat sich alles auf einmal geändert. Wer im neuen Zuhause im Cape 10 vorbeischaut, sieht, dass es eine Veränderung zum Guten war. Denn das ist etwas, was wir aus unserer Zusammenarbeit mit dem Fonds Soziales Wien mittlerweile wissen: In der Krise wachsen diese Menschen über sich hinaus und schaffen mit Herz und Mut Dinge, die unmöglich scheinen!
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