Liste der Artikel über unser Leitprinzipien
- Auftakt: Was Organisationen mit lebenden Systemen gemein haben
- Prinzip #1: Radikale Offenheit
- Prinzip #2: Sensing the Core
- Prinzip #3: Verborgene Potentiale erkennen und zum Leben erwecken
- Prinzip #4: Design und Co-creation
- Prinzip #5: Emergenz
- Prinzip #6: Enabling
- Prinzip #7: Learning from the Future as it Emerges
Author:innen: Oliver Lukitsch & Markus Peschl
Dies ist der letzte Blog-Beitrag in einer Reihe, die uns schon seit einiger Zeit beschäftigt: die Vorstellung unserer Leitprinzipien („Guiding Principles“). Herzlich willkommen zum grand finale. Den Schluss macht ein Blogbeitrag über die besondere Art von Lern- und Innovationsansatz, den wir verfolgen, um etwas wirklich radikal Neues zu schaffen.
Wenn wir für die Zukunft planen, neigen wir oft aus Gewohnheit dazu, unsere Handlungen und Entscheidungen an der Vergangenheit auszurichten. Das heißt, wir versuchen, aus den Erfahrungen der Vergangenheit zu lernen, um die Dinge zu verbessern. Das ist eine erprobte und bewährte Strategie, die zweifellos sehr nützlich ist. Allzu oft ist sie jedoch auch der bevorzugte Ansatz für Innovationsprojekte. Der Versuch, etwas Neues zu schaffen, besteht allzu häufig darin, auf die Vergangenheit zurückzugreifen und sie an die Bedürfnisse der Zukunft anzupassen.
Unser letztes Prinzip ist eine klare Abweichung von dieser Tradition. Anstatt aus der Vergangenheit zu lernen, werden wir zeigen, dass man auch „aus der Zukunft heraus“ lernen kann. Dies verändert nicht nur den gesamten Innovationsansatz, sondern vor allem die Qualität einer Innovation (eines Projekts) grundlegend. Gleichzeitig ist ein zutiefst zukunftsorientierter Lern- und Innovationsansatz der Schlüssel, um etwas wirklich Neues zu schaffen – und nicht nur eine weitere Version der Vergangenheit oder nur eine „kreative“ oder „out-of-the-box“-Innovation, die nicht wirklich auf ein „von sich aus“ entstandenes Bedürfnis eingeht.
Begleiten Sie uns, wenn wir unser letztes Prinzip erforschen und seine Bedeutung für die Gestaltung unserer Projekte und die DNA unseres Ansatzes erforschen.
Der klassische Innovationsansatz
Was verstehen wir also unter einem „konventionellen“ oder „klassischen“ Innovationsansatz? Das Wichtigste zuerst: Wir wollen nicht behaupten, dass der klassische Ansatz per se „schlecht“ sei. Er hat zweifelsohne seine Vorzüge. Sie werden gleich sehen, warum.
Die meisten klassischen Innovationstechniken folgen einem einfachen Rezept: Man betrachtet die Erfahrungen der Vergangenheit, d. h. bestehende Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsmodelle usw. Dann leitet man ab, was sie für die Zukunft bedeuten. In der Regel bedeutet dies, dass das, was bereits bekannt ist, verbessert wird. Was in der Vergangenheit nicht funktioniert hat, wird beseitigt oder verbessert. Die bestmögliche neue Version des „Alten“ herausbringen ist damit das Ziel.
Dieser schrittweise („inkrementelle“) Innovationsansatz ist entscheidend, wenn es darum geht, Produkte und Dienstleistungen effizienter oder/und effektiver zu gestalten. Den Leser:innen wäre nun wohl mit einem Beispiel geholfen.
Der klassische Ansatz: Eine Fallstudie
Denken Sie an die Smartphone-Kamera. Die erste Smartphone-Kamera hatte ein einziges Objektiv. Wie bei jeder Kamera hat ein einzelnes Objektiv einen begrenzten einstellbaren Fokus. Mehr Objektive bedeuten eine größere Vielfalt an Brennweiten und mehr Möglichkeiten für die Aufnahme von Bildern. Heute haben einige Modelle daher bis zu fünf Objektive allein auf der Rückseite.
Dieser einfache Fall (der wachsenden Anzahl von Objektiven) veranschaulicht sowohl die Vorteile als auch die Grenzen des klassischen Ansatzes. Smartphones mit fünf Kameraobjektiven waren nichts anderes als eine logische Verbesserung und Erweiterung der bestehenden Technologie. Das damit verbundene Wissen ist fest in der Vergangenheit verwurzelt. Unser bisheriges Wissen über Kameraobjektive ist der grundlegende Ausgangspunkt für unsere Smartphones mit mehr Objektiven. Das Hinzufügen weiterer Objektive brachte keine qualitative Veränderung im Sinne eines radikalen Bruchs mit bisherigen Mustern oder Herangehensweisen an das Fotografieren mit sich.
Natürlich kann man mit einem modernen Smartphone erstaunliche Bilder machen und der Fortschritt, den wir seit der Einführung der Handy-Fotografie gemacht haben, ist immens. All das wäre ohne echte Hard- und Software-Innovationen nicht möglich gewesen. Aber Sie werden uns auch zustimmen, dass die Erhöhung der Anzahl der Objektive kein Paradigmenwechsel in der Smartphone-Technik ist.
Die Moral von der Geschichte: Traditionelle Innovationsansätze stützen sich auf frühere Erfahrungen und vorhandenes, etabliertes Wissen. Aus diesem Grund kann der klassische Innovationsansatz auch sehr vorhersehbar sein – als die ersten Smartphones mit zwei Objektiven auf den Markt kamen, war bereits abzusehen, dass ein neues Modell mit einem dritten Objektiv folgen wird.
Die Grenzen des Lernens aus der Vergangenheit
Es gilt nach wie vor: nichts ist falsch daran, bzw. ist es wichtig, dass wir „aus der Vergangenheit lernen“. Um jedoch etwas wirklich radikal Neues zu schaffen, reichen traditionelle Innovationsansätze nicht aus. Um etwas wirklich Neues hervorzubringen, muss man etwas schaffen, das es vorher nicht gab, etwas, das sich nicht (vollständig) aus der Vergangenheit vorhersagen lässt. Genau hier kommt unsere Methode des „Lernens aus der Zukunft“ ins Spiel.
„Learning from the Future as it Emerges“
Die Idee des „Lernens aus der Zukunft“ lässt sich schwer zusammenfassen. Wir versuchen es dennoch: Von der Zukunft zu lernen bedeutet, sich auf eine sich unmittelbar vor uns entfaltende Realität einzulassen und zu erspüren, was im Begriff ist, zu entstehen, wenngleich es sich noch nicht materiell manifestiert hat. Es geht darum, jene künftige Potentiale und Entwicklungen zu erkennen, obwohl wir noch „keine Worte“ für sie haben. All dies ist leicht gesagt, hat aber weitreichende Konsequenzen.
Was können wir aus der sich entfaltenden Zukunft lernen?
Was genau können wir also tatsächlich von einer in der Entstehung begriffenen Zukunft lernen? Normalerweise lernen wir von Dingen, die bereits existieren oder geschehen sind. In unserem Fall ist dies nun aber nicht möglich. Es stellt sich schließlich die Frage: Was können wir aus der Zukunft lernen?
Wie bereits angedeutet, birgt die Zukunft etwas in sich, das als (latentes) Zukunftspotential bezeichnet wird. Wir haben die Idee der Zukunftspotentiale in einem anderen Blogbeitrag dieser Serie ausführlicher vorgestellt. Wir kommen an dieser Stelle aber nicht daran vorbei, den Begriff noch einmal kurz zu definieren. Kurz gesagt: Zukunftspotentiale schlummern in bereits existierenden Dingen (Produkten, Dienstleistungen, Märkten, gesellschaftlichen Entwicklungen usw.), haben sich aber noch nicht materialisiert; sie sind im Entstehen begriffen und als solche nicht „dingfest“. Mit anderen Worten: Sie sind in den bestehenden Produkten, Dienstleistungen, sozialen Systemen und Technologien implizit oder latent enthalten. Zukunftspotentiale können daher zwar nicht „der Vergangenheit entnommen“ werden, aber sie kommen auch nicht aus dem Nichts.
Ein Beispiel aus dem wirklichen Leben kann dies verdeutlichen: Das Internet war eine Technologie, die bereits das Potential der sozialen Medien (auf latente Weise) in sich barg – und somit eine völlig neue Art und Weise, wie Menschen miteinander in Kontakt treten und ihr soziales Leben gestalten können. Aber es bedurfte einiger Visionär:innen, um dieses schlummernde Potential (versteckt in einer Technologie, die ursprünglich nichts anderes als ein Netzwerk für E-Mail-Verkehr war) zu erkennen und zum Leben zu erwecken,.
Von der sich entfaltenenden Zukunft zu lernen, bedeutet gerade ebendiese latenten Potentiale zu erforschen und zu formen.
(Pro-)Aktive Gestaltung der Zukunft durch die Verwirklichung von Potentialen
Aber wie können wir die Zukunft „erspüren“, die sich gerade abzeichnet, um mit ihr zu beginnen? Wie können wir uns mit latenten Potentialen verbinden?
Der erste wichtige Schritt besteht darin, mit der Gewohnheit zu brechen, uns unhinterfragt auf vergangene Erfahrungen zu stützen und dabei unsere Denk- und Wahrnehmungsmuster außer Kraft zu setzen. Vergangene Erfahrungen sind mit Vorurteilen und Annahmen über die Gegenwart und die Zukunft behaftet. Daher ist es für jedes Innovationsteam, das radikale Neuerungen schaffen will, von entscheidender Bedeutung, zunächst die Annahmen (aus der Vergangenheit) darüber, wie man „Dinge so macht“, loszulassen.
Aus der Zukunft zu lernen, bedeutet im Wesentlichen „loszulassen“. Es erfordert, dass wir die Kontrolle und unseren Drang zur Vorhersage (des Verlaufs eines Innovationsprojekts) ausklammern (bzw. „stunden“). Stattdessen müssen wir uns auf ganz auf die sich dynamisch entfaltende Realität einlassen und mit dieser in Resonanz treten.
Zur Veranschaulichung kann man das gut mit einem Tanz vergleichen. Dabei muss man sich auf ein ständiges Geben und Nehmen einlassen, ein Hin und Her zwischen sich selbst und der Sache, an der man arbeitet (d. h. dem Gegenstand der Innovation). Man muss sich, sozusagen, mit der Umgebung verbinden, offen und aufnahmebereit sein und gleichzeitig die Initiative ergreifen.
Indem sie sich der Umwelt aussetzten und offen und empfänglich sind, können Innovator:innen Potentiale erspüren und gestalten. Vor allem aber können diese auch auch erspüren, welche Potentiale am wichtigsten sind.
Doch wie sieht es eigentlich aus, wenn ein Potential erfolgreich realisiert und zum Leben erweckt wird? Lassen Sie uns an einem Beispiel zeigen, was man durch „Learning from the Future“ gewinnen kann.
Bene: Das Büro der Zukunft im Kern erfasst
Wir haben Bene, einen führenden Designer und Anbieter von Büromöbeln, bei einem spannenden Innovationsprojekt unterstützt. Unsere Innovationsprojekte sind in ein Programm eingebettet, das wir „leap“ nennen – und dieses Programm haben wir auch gemeinsam mit Bene durchlaufen.
In unserem Projekt ermöglichten wir es dem Möbelhersteller, seinen Markt von der Zukunft her zu denken; eine Zukunft, die sich erst Jahre später überdeutlich manifestieren sollte: Statt einfach das nächste Möbelstück zu entwerfen und das bestehende Portfolio zu erweitern, erkannte Bene, dass es im Büro der Zukunft nicht um eine (fixe) Anordnung von Möbeln geht. Ihre Erkenntnis ließ sich dabei als Verständnis von „Arbeit als Lernen und Lernen als Arbeit“ zusammenfassen. Jede Tätigkeit im Büro kann demnach als eine bestimmte Art des Lernens (Erfahrung) verstanden werden. Arbeitnehmer:innen (und insbesondere Wissensarbeiter:innen) der Zukunft wollen nicht lediglich eine Art von fester Büroeinrichtung. Was sie wirklich brauchen, sind verschiedene Arten von flexiblen, agilen Arrangements, die verschiedene Arten von Wissensprozessen und damit auch verschiedene Arten von Lernerfahrungen ermöglichen und ermutigen. Ausgehend von diesem Verständnis ist das Büro nicht nur ein Ort, an dem Dinge erledigt werden, um die tägliche Arbeitsroutine zu erfüllen. Vielmehr ist es ein Ort, der alle Arten von Arbeitserfahrungen (und damit Lernerfahrungen) ermöglichen soll, die ein festes, konventionelles Büro nicht bieten kann.
Das war vor zehn Jahren. Heute, nach einer verheerenden Pandemie und einer seismischen Verschiebung hin zum home office, ist diese Erkenntnis wichtiger denn je. Menschen zögern, ins Büro zurückzukehren, gerade weil zu Hause häufig alles vorhanden ist, um sich ein konventionelles Büro einzurichten. Menschen brauchen aber einen Raum, in dem sie wachsen können, in dem sie unterschiedliche Lernbedürfnisse stillen können – und in dem sie durch Arbeiten lernen und durch Lernen arbeiten können.
Benes Erkenntnis war nicht nur eine intellektuellen Übung. Sie führte zur Entwicklung konkreter Produkte, nämlich des Bene PIXEL. Pixel ist ein modulares Möbelstück, das sich leicht in Stühle, Tische, Plattformen oder Podien verwandeln lässt. Es ermöglich ein agiles Möbel-Arrangement, das dem Lern- und Arbeitsbedürfnissen der Nutzer:innen enspricht und schafft somit ein umfassendes Angebot für Kreative und Denker:innen. Das Projekt hat Bene als die Bürolösung der Wahl für Innovator:innen positioniert.
Wir haben dazu noch mehr zu sagen. Zum Beispiel hier, auf unserer Projektseite, aber auch in diesem Blogbeitrag über „Zukunftspotentiale“ – ein Konzept, das eng mit dem verknüpft ist, was wir als Lernen aus der Zukunft verstehen.
Haben wir Sie inspiriert? Wir sind immer auf der Suche nach spannenden Projekten, bei denen wir gemeinsam mit unseren Kund:innen von der im Entstehen begriffenen Zukunft lernen können, um diese nachhaltig zu gestalten.
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