In der Literatur ebenso wie in der eigenen Erfahrung finden wir viele Gründe, warum Innovation oftmals nicht erfolgreich ist. Versucht man, eine gemeinsame Ursache zu finden, die hinter diesen Misserfolgen steht, stellt sich ein Phänomen als zentral heraus: Es hat mit der Art und Weise der menschlichen Wahrnehmung und unseres Denkens zu tun.
Wie viel nehmen wir also wirklich von unserer Umwelt wahr? Und was entgeht unserer Aufmerksamkeit? Gibt es Aspekte in der Welt, die, wenn wir sie nur erkennen würden, zu völlig neuen Einsichten und Innovationen führen könnten?
In der modernen Kognitionswissenschaft und Neurowissenschaft ist dieses Phänomen als Predictive Mind Hypothesis bekannt: Unser Gehirn nutzt vergangene Erfahrungen, um neue Erfahrungen zu verstehen. Es bedient sich dabei sogenannter mentaler Modelle, die auf Erfahrungen basieren, die wir in der Vergangenheit gemacht haben, sowie aus bereits bestehenden Hypothesen bzw. unserem “Wissen” über die Welt. Mithilfe dieser mentalen Modelle versucht unser Gehirn vorherzusagen, was passieren wird. Das führt zu einer Wahrnehmungs-, Denk- und Verhaltensdynamik, die darauf abzielt, Vorhersagefehler zu reduzieren, anstatt für Neues und Überraschendes offen zu sein. Unser Gehirn versucht also, uns vor Unbekanntem zu “beschützen”, indem es uns dafür schwer empfänglich macht.
Innovation Challenge #1: Wir können nicht sehen, was wir nicht erwarten.
Eine zentrale Herausforderung für eine zukunftsorientierte Form der Innovation ist daher die Frage, wie viel Kontrolle wir eigentlich über die Realität haben. “Kontrolle” bezieht sich in diesem Zusammenhang darauf, dass unser Gehirn kontrolliert, was wir wahrnehmen – und denken – können, und vor allem: was nicht.
Zur Erinnerung: Die Predictive Mind Hypothesis zeigt, dass unser Gehirn vornehmlich Erfahrungen aus der Vergangenheit in die Zukunft projiziert und versucht, diese in der Realität zu verifizieren. Das bedeutet, dass unsere Wahrnehmung stark durch unser bereits vorhandenes Wissen bestimmt ist und dass wir nicht sehen (können), was wir nicht erwarten (d.h. was nicht in unsere Wahrnehmungs- und Denkmuster passt).
Innovation Challenge #2: Wir kreiieren selbsterfüllende Prophezeiungen.
“We enact what we think.” Folgen wir der Logik der Predictive Mind Hypothesis, erkennen wir, dass wir nicht nur unsere vergangenen Erfahrungen nutzen, um neue Entwicklungen vorherzusagen, sondern auch so handeln, um unsere Vorhersagen zu bewahrheiten . Das führt zu einer Dynamik von selbsterfüllenden Prophezeiungen: Durch unsere vorhersagbaren und aus der Vergangenheit gespeisten Handlungen werden bestehende Strukturen verstärkt und es wird noch schwieriger, aus eingefahrenen Mustern auszubrechen und Veränderungen oder Innovationen herbeizuführen.
Innovation Challenge #3: Blinde Flecken hindern Organisationen daran, Neues zu erkennen.
Die Predictive Mind Hypothesis bezieht sich nicht nur auf den einzelnen Menschen, sondern betrifft auch ganze Organisationen. Auf organisationaler Ebene kommt es dadurch zur Entstehung blinder Flecken. Diese blinden Flecken verhindern häufig, dass sich ein Unternehmen (als Ganzes) für das entstehende Neue öffnen kann. Damit wird es sehr schwierig, radikale und zukunftsweisende Innovationen ins Unternehmen zu integrieren.
Wir sind also nicht nur in unseren Denk- und Wahrnehmungsmustern gefangen, sondern auch in den Routinen unserer Handlungen. Und das ist das größte Hindernis, wenn es darum geht, sich einer unsicheren, unbekannten, und sich entfaltenden Zukunft zu öffnen.
Innovation muss also damit beginnen, Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster aufzudecken und proaktiv zu verändern. Welche Strategien können angewandt werden, um diese Hindernisse im Bereich Innovation zu überwinden? Lesen Sie weiter in unserem Blogpost “Strategien der Innovation”.
Image: Pau Casals at Unsplash
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