In diesem Blogbeitrag möchten wir Ihnen unseren Knowledge Creation Cube vorstellen: ein Werkzeug, das es uns ermöglicht, Innovations- und Wissensprozesse agil und dynamisch zu präsentieren und zu planen. Unser Kubus ist ein handliches, versatiles Instrument, um die komplexen Herausforderungen unserer neuen Arbeitswelten zu meistern. Er kann Prozesse bewerten, die einem ständigen Wandel unterliegen, und er hilft uns, diese Veränderungen zu begreifen, ohne das Gesamtbild aus den Augen zu verlieren. Schliesslich kann er auch die Gestaltung neuer Bürokonzepte inspirieren. Zunächst möchten wir aber die Herausforderungen skizzieren, die uns zur Entwicklung des Knowledge Creation Cube veranlasst haben.
Innovations- und Wissensprozesse gehören zu den unübersichtlichsten und komplexesten Aufgaben eines Unternehmens. Sie sind vielfältig, heterogen und lassen sich nur schwer auf einen gemeinsamen Nenner reduzieren. Es ist dennoch eine wesentliche Aufgabe jeder Organisation, die sich Innovation zum Ziel gesetzt hat, nicht nur eine Übersicht über jene Wissens- und Innovationsprozesse zu gewinnen, sondern diese auch “ganzheitlich” zu verstehen, um sie letztendlich sinnvoll/zielgerichtet einsetzen zu können. Denn es gilt: selbst wenn Unübersichtlichkeit, Chaos und Zufall oft zu großen Innovationen beigetragen haben, so will man Innovationsarbeit dennoch nicht gänzlich dem Zufall überlassen, bzw. ist es notwendig, Innovationsarbeit gewisse ermöglichende Rahmenbedingungen, ihr also einen “Enabling Space” zu geben.
Vorweg: Warum können Wissens- und Innovationsprozesse zusammengefasst werden? Sie zusammenzudenken ist sinnvoll, da Innovation u.a. letztlich auf Wissensprozessen basiert. Zum Beispiel konnte das Flugzeug deswegen entwickelt werden, weil zunächst das für die Technologie notwendige (theoretische und praktische) Wissen vorhanden war. Will man also Innovationsprozesse verstehen und gestalten, ist es daher auch naheliegend, die ihnen zugrundeliegenden Wissensprozesse nachzuvollziehen.
Innovation als dynamischer Wissensprozess
Versucht also ein Unternehmen oder eine Organisation seine bestehenden Wissens- und Innovationsprozesse zu charakterisieren oder gar neue zu planen, stehen sie zunächst vor einer schwierigen Aufgabe: wie können solche Prozesse überhaupt verständlich gemacht werden – und genauer; wie können sie ganzheitlich, sozusagen in einer Zusammenschau (re-)präsentiert werden?
Vielleicht fragen Sie sich, ob eine solche ganzheitliche Beschreibung von Innovationsprozessen überhaupt notwendig ist. Zwei Gründe sprechen dafür: Erstens, Innovations- und Wissensarbeit sind nicht nur unübersichtlich, sondern auch starken Veränderungen unterworfen. Damit ist nicht (nur) gemeint, dass sich Innovationsprojekte stark voneinander unterscheiden können, sondern auch, dass sich ein bestimmtes Projekt innerhalb seiner Laufzeit stark verändern kann. So sind am Anfang eines Projekts oft kleine Gruppen von wenigen “Innovationsarbeiter_innen” involviert, bis später die gesamte Organisation eine Rolle spielt und alle Mitarbeiter_Innen beteiligt werden. Obendrein bleiben Innovationen nicht neu; sie altern und werden, nachdem sie sich etabliert haben, anders behandelt als noch nicht etablierte Produkte und Dienstleistungen.
Will man über solche zeitlichen Verläufe einen Überblick bewahren, bedarf es einer dynamischen Darstellung von Innovations- und Wissensprozessen. Kurzum: Innovationsprozesse durchlaufen unterschiedliche abwechselnde Phasen, in denen unterschiedliche Arten von Wissen verwendet, transformiert und generiert werden. Diese Wissensarten sind einer ständigen Veränderung unterworfen. Die Frage ist nun, wie man dieser zeitlichen Dynamik Rechnung tragen kann. Tut man dies nicht, besteht die Gefahr, dass sich die zeitlichen Veränderungen von Innovationsprozessen, unserer “statischen” Auffassung entziehen. Diese Gefahr ist umso größer, da wir ohnehin dazu neigen, Dynamiken als “Zustände” zu beschreiben und damit unsere Beschreibung ihren Gegenstand verfehlt.
Der zweite Grund, warum es einer ganzheitlichen Methode bedarf, um Wissens- und Innovationsprozesse darzustellen, ist die Handhabbarkeit und Gestaltung solcher Prozesse. Komplexe Prozesse wie die Innovationsarbeit können nur dann zielgerichtet eingesetzt werden, wenn sie als ganzheitliche Prozesse verstanden werden und man eine Vision davon hat, welches Ziel sie verfolgen. Es wäre für eine Organisation ein unlösbares Problem, einen solchen Prozess auf ein Ziel überhaupt auszurichten, wenn es kein Instrument gäbe, alle Teilprozesse “zusammenzudenken”.
Vor allem im Fall der radikalen Innovation besteht hier eine besondere Herausforderung, denn ihre Ziele können in vielen Fällen anfangs nicht klar definiert werden; sie werden erst greifbarer, wenn man sich dem Ziel nähert. Dies spiegelt sich auch in den Wissensprozessen wider, aus welchen solche Innovationen hervorgehen.
Es entsteht also ein Spannungsfeld zwischen (i) der Notwendigkeit, Prozesse auf das ungreifbar Neue auszurichten und (ii) der Notwendigkeit diese Prozesse gleichwohl greifbar zu gestalten, um sie zielgerichtet einsetzen zu können. Umso wichtiger ist es, dass radikale Innovationsprozesse “in sich stimmig”, nachvollzieh- und wiederholbar, vor allem aber auch “kohärent” gestaltet werden. Daher kann nur ein ganzheitliches Verständnis von Innovationsprozessen den fragilen Rahmen für die Entstehung radikalen, neuen Wissens gewährleisten.
Nun aber zurück zu unserer Hauptfrage: Wie können Innovations- und Wissensprozesse denn eigentlich einheitlich dargestellt werden? Wie können wir den Überblick über deren komplexe Dynamik bewahren?
Der Knowledge Creation Cube – Wie können Innovationsprozesse mit dem physischen Raum produktiv integriert werden?
Als Antwort auf diese Herausforderung hat theLivingCore ein Tool entwickelt, das Organisationen dabei hilft, ein umfassendes Verständnis seiner Wissens- und Innovationsprozesse zu erlangen. Den Anfang nahm seine Entstehung in einem Innovationsprojekt mit Bene und danach weiterentwickelt haben. Dabei ist die Erkenntnis entscheidend, dass sich Letztere im Wesentlichen entlang dreier Dimensionen (und Polaritäten) entfalten: (1) der Dimension des Lernens und des Neuheitsgrades des Wissens, (2) der Dimension des Grades der Entschiedenheit des Wissens und (3) der sozialen Dimension des Wissens. Wenn man diese drei Dimensionen in einem Koordinatensystem zueinander in Beziehung setzt, entsteht ein 3-dimensionaler Würfel, der das Verhältnis der Dimensionen zueinander verstehbar macht.
Werfen wir einen genaueren Blick auf die genannten Wissensdimensionen.
1. Die Dimension des Lernens und des Neuheitsgrades des Wissens
Wir unterscheiden auf der einen Seite zwischen bereits bestehendem, etabliertem Wissen und auf der anderen Seite (radikal) neuem Wissen. Wenn, zum Beispiel, ein radikal neues Produkt entwickelt wird, so schöpft sich dies aus radikal neuem Wissen. Neues Wissen ist aber fragil und muss sich erst gegen die bestehenden Paradigmen behaupten. Es erfordert also eine andere Handhabung als bereits etabliertes Wissen – dieses wiederum erfährt bereits Akzeptanz innerhalb einer Organisation oder gar am Markt und kann stufenweise (inkrementell) weiterentwickelt werden, um Produkte zu verbessern und Services zu optimieren.
2. Die Dimension des Grades der Entschiedenheit des Wissens
Manchmal kann Wissen “angewandt” werden, um konkrete Entscheidungen zu treffen, Projekte auf den Weg zu bringen, oder rasch verwendbare Produkte und Dienstleistungen daraus abzuleiten. Wenn dem so ist, so spricht man von einem hohen Grad an Entschiedenheit. Das andere Extrem ist noch völlig unentschiedenes Wissen, also all jenes Wissen, das noch “offen” ist und über das wir noch nicht sagen können, wie es eigentlich eingesetzt/angewandt werden kann. Unentschiedenes Wissen erlaubt es uns ob seiner Offenheit noch nicht, bestimmte Handlungen daraus abzuleiten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es unmöglich ist, Entscheidungen zu treffen, wenn sie auf unentschiedenem Wissen beruhen. Wichtig ist hier zunächst erstmal zu erkennen, dass man es überhaupt mit unentschiedenem Wissen zu tun hat. Auf dieser Grundlage kann man Tools oder Strategien wählen, die der Situation angemessen sind. Ein gutes Beispiel hierfür ist “Effectuation”, ein unternehmerisches Entscheidungsprinzip, das in Situationen der Unsicherheit angewendet werden kann, um sich in derartigen Situationen einen Vorteil zu verschaffen.
3. Die soziale Dimension des Wissens
Wissens- und Innovationsarbeit wird manchmal von Individuen oder kleinen Gruppen, manchmal aber auch von ganzen Organisationen vorangetrieben. Im Verlauf eines Innovationsprojekts ändert sich oft, wie viele (und welche) Akteure partizipieren. Dabei haben unterschiedliche soziale Konstellationen ganz andere Möglichkeiten, Wissen zu generieren, weiterzuentwickeln oder zu verwalten.
Gemeinsam beschreiben die drei beschriebenen Dimensionen ein dreiachsiges Koordinatensystem. Wenn man in diesem Extremwerte absteckt (wie die maximale Anzahl an Beteiligten, oder die völlige Unentschiedenheit des Wissens), kann man einen Würfel formen. Ist dieser fertig konfiguriert, so ergibt sich ein “Knowledge Creation Cube” – ein Würfel, der die Dimensionen von Wissens- und Innovationsprozesses zusammenführt und deren Zusammenspiel darstellt.
In diesem Knowledge Creation Cube sind alle möglichen Konstellationen von Wissens-/Innovationsarbeit zusammengefaßt. Jeder Unterbereich dieses Würfels repräsentiert eine bestimmte Form der Wissensarbeit bzw. einer sozialen Konstellation (z.B. individuelle Ideengenerierung, Prototyping in einem Kreativteam, Großgruppenevents in einem Programmiersprint, Entscheidungsfindungen in einem Board-Meeting, etc.)
Wie kann der Würfel eingesetzt werden? Im Wesentlichen verfügt der Knowledge Creation Cube über drei wichtige Funktionen:
1. Evaluation
Der Cube ermöglicht es, bestehende Wissensprozesse einer Organisation zu evaluieren und dadurch aufzudecken, welche Dimension(-en) oder Wissensprozesse nicht oder zu wenig berücksichtigt wurden: Fehlt es womöglich an Mut zu unentschiedenem, offenem Wissen oder verfängt sich ein Innovationsprozess in etabliertem Wissen, anstatt etwas radikal Neues zu versuchen? Diese Fragen kann der Würfel helfen, zu beantworten.
2. Planung
Der Würfel kann auch die Planung eines Innovationsprozesses und vor allem seinen zeitlichen Verlauf durch die unterschiedlichen Subräume des Würfels sichtbar machen. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass der Prozess einem ganzheitlichen Verständnis folgt, das eine breite Übersicht über komplexe Wissens- und soziale Dynamiken erlaubt. Ein solcher Plan besteht dann nicht lediglich aus einer Sequenz unterschiedlicher Prozesse, sondern zeigt vielmehr, wie diese sinnvoll ineinander übergehen und als “integrative Bewegung” fungieren. In gewisser Weise lässt sich derart ein Wissens-/Lernpfad durch diesen Knowledge Creation Cube legen, der die unterschiedlichen Phasen eines Innovationsprozesses sichtbar, verstehbar und nachvollziehbar macht.
3. Erarbeitung von räumlichen Rahmenbedingungen für die Entwicklung einer zukunftsrelevanten Innovationskultur
Letztendlich erlaubt der Knowledge Creation Cube auch, die räumlichen Bedingungen von Innovations- und Wissensprozessen mitzubestimmen; denn je nachdem, ob man mit bereits etabliertem oder radikal-neuem Wissen, bzw. ob man mit kleinen oder großen Gruppen arbeitet, braucht man auch entsprechende räumliche Qualitäten, die für die jeweiligen Prozesse “ein Gerüst schaffen”.
Vor allem auf die Behandlung des letzten Punktes – die räumlichen Voraussetzung für Innovation – legt theLivingCore größten Wert. Die eigens dafür entwickelte Technologie “Enabling Spaces”, erlaubt es unseren KundInnen oft übersehene, räumliche Innovationshindernisse zu umgehen, neue Ermöglicher (“Enabler”) zu installieren – und somit die wesentlichen Bedingungen für die Entstehung von neuem Wissen herzustellen.
Ganz im Allgemeinen ermöglicht der “Knowledge Creation Cube”, dass in der Planung und Evaluation von Innovations- und Wissensprozessen, “blinde Flecken” aufgedeckt werden, also Schwachstellen, die dadurch entstehen, dass eine der drei Wissensdimensionen bzw. bestimmte Konfigurationen/Kombinationen nicht hinreichend bedacht wurden, i.a.W., dass bestimmt Subräume dieses Würfels unbesetzt bleiben. Er dient aber vor allem als Ankerpunkt, um oft unübersichtliche und komplexe Wissens- und Innovationsprojekte und deren zugrundeliegenden Prozesse verstehbar zu machen und ihnen einen holistischen “Sinn” zu verleihen. Für den Erfolg solcher Projekte ist ein ganzheitlich-strategisches Verständnisses unerlässlich. Der “Knowledge Creation Cube” ist eine Antwort auf diese Anforderung.
Wollen Sie aber auch mehr über den Knowledge Creation Cube erfahren, sollten Sie einen Blick in das hier verlinkte Paper von Prof. Markus Peschl und Thomas Fundneider werfen.
Referenzen
Peschl, M. F., & Fundneider, T. (2014). Designing and Enabling Spaces for collaborative knowledge creation and innovation: From managing to enabling innovation as socio-epistemological technology. Computers in Human Behavior, 37, 346–359.
Peschl, M. F., & Fundneider, T. (2016). Büro als Treiber von Wissens- und Innovationsprozessen. In M. Klaffke (Ed.), Arbeitsplatz der Zukunft: Gestaltungsansätze und Good-Practice-Beispiele (pp. 31–56). Springer Fachmedien Wiesbaden.
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