Author: Markus Peschl
In unserem vorherigen Blogpost über „joyful work“ haben wir über die Bedeutung und das Wesen der Freude gesprochen und dabei vor allem den Begriff „joy“ in den Vordergrund gestellt, da er im Englischen einen besonderen Beigeschmack hat. Wir haben auch gesagt, dass es notwendig ist, der Arbeit wieder einen Sinn zu geben, damit sie Freude bereitet. Wie wir gesehen haben, geht es bei Freude (Eudaimonie) nicht nur darum, sich wohl zu fühlen, Spaß zu haben oder oberflächliche Bedürfnisse zu befriedigen. Vielmehr geht es darum, sich sinnvollen Tätigkeiten zu widmen, die sowohl zur Selbstverwirklichung beitragen als auch der Welt und unseren Organisationen neue Bedeutung und einen neuen Sinn verleihen.
Es hat sich gezeigt, dass materielle oder finanzielle Belohnungen im Allgemeinen nicht unbedingt zu mehr Freude führen, sondern eher als Feigenblattaktionen wahrgenommen werden, und dass sie keine dauerhafte und nachhaltige Zufriedenheit oder Loyalität der Mitarbeiter:innen gewährleisten. Außerdem hat sich herausgestellt, dass es wichtiger ist, dass ein Arbeitsplatz den Mitarbeiter:innen Sinn, bzw. „purpose“ bietet.
Ein solches Arbeitsumfeld bringt Mitarbeiter:innen dazu, ihr Bestes zu geben, und lässt sie über ihre Möglichkeiten und Grenzen ihrer offiziellen Aufgaben und Stellenbeschreibungen hinauswachsen. Es befähigt sie auch, kreativ und innovativ zu werden, weil sie wissen, wie ihre Arbeit zum Gesamtbild beiträgt und dass sie Teil der Erfüllung eines größeren Zwecks sind.
Als Führungskräfte haben wir die Verantwortung, uns nicht nur um die finanzielle Leistung einer Organisation zu kümmern, sondern sie auch zu einem Ort zu machen, an dem alle gerne arbeiten, indem wir uns auf Sinn und Selbstverwirklichung konzentrieren. Ausgehend von unseren eher theoretischen Überlegungen sind die folgenden Punkte die wichtigsten Prinzipien und Richtlinien für ihre Umsetzung in die Praxis:
1. Lebendig sein und Handlungsfähigkeit ermöglichen.
Lebendig zu sein ist eine der grundlegendsten Erfahrungen jedes Menschen. Es impliziert ein Gefühl der Handlungsfähigkeit („agency“). Menschen haben das Gefühl, dass sie etwas in sich und um sich herum verändern können. Sie erleben sich als Urheber ihrer Handlungen und sehen deren tatsächliche Wirkung.
Führungskräfte müssen ein Umfeld schaffen, in dem Mitarbeiter:innen nicht auf Pseudo-Handlungsfreiheit beschränkt sind, sondern in dem sie sowohl Verantwortung übernehmen als auch Anerkennung für ihr erfolgreiches Handeln erhalten. Dies ist ein Teil dessen, was wir als Schaffung von „Enabling Spaces“1 bezeichnen – Arbeitsumgebungen und eine Organisationsstruktur, die die Handlungsfreiheit und -fähigkeit der Menschen unterstützen und selbst lebendig sind.2
2. Ein Gefühl von Eigenverantwortung und Autonomie schaffen.
Im Zusammenhang mit dem vorherigen Punkt ist es wichtig, den Mitarbeiter:innen ein Gefühl von Eigenverantwortung und Autonomie bei ihren Aufgaben und ihrer täglichen Arbeit zu vermitteln. Beides trägt dazu bei, dass sie fühlen, die Kontrolle zu haben, was nicht nur zur Selbstverwirklichung der Mitarbeiter:innen führt, sondern auch zu einer höheren Identifikation und einem stärkeren Engagement für ihr Unternehmen.
Während es für Führungskräfte manchmal schwierig sein kann, die Kontrolle abzugeben, zeigen viele Studien3, dass der Wechsel von einer kontrollierenden Haltung hin zu einem befähigenden, ermöglichenden Mindset positive Auswirkungen auf die Leistung, Kreativität und Innovation in einer Organisation hat.4
3. Gestalten Sie sinnvolle Arbeitsplätze, die auf einem klaren „Purpose“ basieren.
Wie wir oben gesehen haben, ist die Schaffung eines sinnstiftenden Arbeitsplatzes eng mit der menschlichen Sehnsucht nach Eudaimonie verbunden. Das bedeutet, dass Führungskräfte die Arbeit so organisieren müssen, dass die Mitarbeiter:innen ihr Potential und ihre Fähigkeiten ausschöpfen können.
Im besten Fall finden die Mitarbeiter:innen eine Verbindung zwischen ihrem eigenen höchsten Ziel und dem des Unternehmens, für das sie arbeiten. Es ist die Aufgabe der Führungskraft, ihre Mitarbeiter:innen in diesem Prozess zu unterstützen und diese Verbindung herzustellen. Im Idealfall sollte jede:r Mitarbeiter:in verstehen, worin sein besonderer Mehrwert für die Nutzer:innen im gesamten Wertschöpfungsprozess besteht5.
Um dies zu erreichen, muss eine Führungskraft Orientierung und Richtung bieten. Zum Beispiel durch klare und transparente Kommunikation und Veranschaulichung des Unternehmenszwecks und der Unternehmensziele sowie durch eine integrative, ganzheitliche und ökosystemische Perspektive, die jeden Punkt der Wertschöpfungskette abdeckt.
Persönliches Coaching, gut durchdachte Onboarding-Prozesse oder Stakeholder-spezifische Workshops sind weitere Mittel, um diese Art von Engagement und Ausrichtung zu erreichen, was zu einer freudvolleren Arbeitserfahrung und einer höheren Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter:innen führt.
4. Förderung positiver sozialer Interaktionen und eines Zugehörigkeitsgefühls.
Menschen sind nicht nur kognitive, sondern vor allem soziale Wesen. Daher sind neben zielgerichteter Arbeit auch soziale Interaktion und ein positives soziales Umfeld für einen Arbeitsplatz, an dem man sich wohlfühlt, von entscheidender Bedeutung.
In diesem Zusammenhang sind Vertrauen und starke soziale Bindungen die wichtigsten Faktoren, die zu einem Zugehörigkeitsgefühl sowie zu der Erfahrung führen, akzeptiert, willkommen geheißen und geschätzt zu werden. Dies wiederum steigert das Wohlbefinden und das Engagement der Mitarbeiter:innen.
Das sogenannte „participatory sense-making“ (i.e. das gemeinsame Schaffen von Sinn) ist eine der wichtigsten Aktivitäten des Menschen6 und auch eine der wichtigsten Aktivitäten jeder Organisation. Sie hat sowohl einen kognitiven Teil („Sinnstiftung“) als auch einen sozialen Aspekt („Partizipation“). Führungskräfte sind dafür verantwortlich, ein Umfeld zu schaffen, in dem die Kombination dieser Aspekte zu freudigen und inspirierenden Formen der Zusammenarbeit, Kreativität, Innovation und Entscheidungsfindung führen kann.
Die harmonische und durchdachte Integration dieser Aspekte sowie die offene Denkweise einer Führungskraft führen zu tiefen Einsichten und interessanten Ergebnissen sowohl auf individueller als auch auf organisatorischer Ebene.7
5. Lassen Sie zu, dass man in einem sicheren Umfeld mit dem Unerwarteten konfrontiert wird, und fördern Sie die Kreativität.
Einer der Gründe, warum wir uns vor Ungewissheit fürchten, ist, dass wir nicht mit ihr rechnen und die unerwartete Situation nicht verstehen. Folglich können wir die Zukunft und die Auswirkungen unserer Handlungen nicht vorhersagen. Die Erfahrung von Unsicherheit kann zu einem Gefühl der Angst oder des Kontrollverlusts führen.
Sie kann jedoch durch die direkte Konfrontation mit der unsicheren Realität in einer sicheren Umgebung durch eine eingehende Auseinandersetzung mit ihr transformiert werden. In einer solchen Umgebung können wir auf diese unsicheren Situationen mit einer beobachtenden Haltung reagieren.
Der Versuch, auf einer tieferen Ebene zu verstehen, was wirklich um uns herum geschieht, und die Reflexion über unsere Wahrnehmungsmuster sind alles Instrumente, die zu einem tieferen Verständnis führen.
In den meisten Fällen wird dieses Verständnis das Maß an Unsicherheit und Angst verringern. Es wird alternative und kreative Perspektiven hervorbringen, die neue Wege im Umgang mit ungewissen Phänomenen oder Situationen eröffnen. Unsicherheit wird dann zu einer Quelle der Kreativität.
Wenn dies in einem sicheren organisatorischen Umfeld geschieht, gewinnen die Mitarbeiter:innen nicht nur ihr Gefühl der Handlungsfähigkeit zurück, sondern erfahren auch Selbstverwirklichung. Sie fühlen sich lebendig und erfüllt mit Eudaimonie, da Kreativität sowohl eine höchst anspruchsvolle als auch eine befriedigende Tätigkeit ist.
Auch hier ist es Aufgabe der Führungskraft, ein solches sicheres und förderliches Umfeld zu schaffen, in dem Fehler, Misserfolge oder manchmal riskante Entscheidungen als Lernerfahrungen und nicht als etwas Sanktionierbares angesehen werden.
6. Entwickeln Sie ein proaktives und zukunftsorientiertes Mindset
In den meisten Unternehmen herrscht ein Mindset vor, das von stark standardisierten Prozessen bestimmt wird. Standardisierung an sich ist zwar nichts Schlechtes (sie sorgt für Stabilität, Sicherheit und Effizienz), aber wir dürfen nicht vergessen, dass diese Prozesse hauptsächlich von Erfahrungen aus der Vergangenheit bestimmt werden, meist reaktiv sind und nicht viel zur Selbstverwirklichung der Mitarbeiter:innen beitragen.
Die genannten Prozesse sind nicht nur das Ergebnis von Reaktionen auf Veränderungen im Unternehmensumfeld. Auch die Art und Weise ihrer Gestaltung war hauptsächlich von der Vergangenheit geprägt – sie sind Extrapolationen aus der Vergangenheit in die Zukunft.8
In den meisten Fällen führt dies zu einer Entfremdung vom eigentlichen Sinn (der Organisation), da die Aktivitäten stark automatisiert und standardisiert sind. Sie können ausgeführt werden, ohne dass die involvierten Personen wissen, warum, und es besteht wenig Motivation, die Herausforderungen der Zukunft wirklich anzugehen.
Eine solche Denkweise steht nicht im Einklang mit dem, worum es bei Eudaimonie geht, und fördert kein erfüllendes und freudvolles Arbeitsumfeld. In gewisser Weise ist Eudaimonie immer zukunftsorientiert und weist in die Zukunft. Sie hat viel damit zu tun, die Zukunft aktiv mitzugestalten und ihre Potentiale zu nutzen.
Bei Eudaimonie geht es, ähnlich wie bei innovationsgetriebenen Unternehmen, um Zukunftsgestaltung.9 Es geht darum, ein zukunftsorientiertes Mindset sowohl in einer Organisation als auch bei ihren Mitarbeiter:innen zu fördern, die proaktiv „aus der Zukunft lernen, während sie noch im Entstehen begriffen ist“.10 Die Aufgabe der Führungskraft besteht darin, sich selbst weiterzuentwickeln und später anderen dabei zu helfen, eine zukunftsorientierte Denkweise und Fähigkeiten zu entwickeln.
7. Erholung und Freizeit zulassen
Effizienz kann die Leistung eines Unternehmens kurzfristig steigern. Aber wie wir gesehen haben, kann eine Tätigkeit, die um ihrer selbst willen ausgeführt wird, zu einem kontemplativen und erholsamen Geisteszustand führen, in dem die Mitarbeiter:innen mit sich selbst in Resonanz treten.
Ergebnisse aus der Neurowissenschaft und Kognitionswissenschaft haben gezeigt, dass ein solcher Zustand eine starke Quelle der Kreativität ist und dazu beiträgt, Neues und Innovatives hervorzubringen. Dies gilt umso mehr, wenn er nicht explizit auf ein Produkt oder ein Ergebnis ausgerichtet ist.
Folglich sollten Führungskräfte ihren Mitarbeiter:innen etwas Zeit und Raum für Erholung und Entspannung einräumen. Dies fördert nicht nur ihre Kreativität, sondern schafft auch eine Atmosphäre, in der sie nicht das Gefühl haben, dass ihre kreativen Aktivitäten erzwungen werden.
Wenn Sie möchten, dass wir Ihnen helfen, die in diesem Beitrag beschriebenen Prinzipien von „Enjoyable Company“ in die Praxis umzusetzen, laden wir Sie ein, über das untenstehende Formular ein Einführungsgespräch mit uns zu vereinbaren!
Wir sind ein multidisziplinäres Team mit über 20 Jahren Erfahrung, das sinnvolle Veränderungen in Organisationen ermöglicht. Unsere Kund:innen schätzen den authentischen, zielgerichteten und ko-kreativen Ansatz, den wir in ihre Transformationsprojekte einbringen.
Mit unserem Hintergrund in der Kognitionswissenschaft helfen wir Ihnen, die Bedürfnisse und Motivationen Ihrer Mitarbeiter:innen tiefgreifend zu verstehen. Dann arbeiten wir mit ihnen zusammen, um die freudvolle Zukunft Ihres Unternehmens zu verwirklichen.
Referenzen
Bild: Stefan Steinbauer
[1] Peschl, M.F. and T. Fundneider (2012). Spaces enabling game-changing and sustaining innovations: Why space matters for knowledge creation and innovation. Journal of Organisational Transformation and Social Change (OTSC) 9(1), 41–61.
[2] Peschl, M.F. and T. Fundneider (2014). Designing and enabling interfaces for collaborative knowledge creation and innovation. From managing to enabling innovation as socio-epistemological technology. Computers and Human Behavior 37, 346–359.
[3] Cable, D. and F. Vermeulen (2018). Making work meaningful: A leader’s guide. McKinsey Quarterly 2018 (October), 1–9.
[4] Peschl, M.F. and T. Fundneider (2017). Uncertainty and opportunity as drivers for re-thinking management: Future-oriented organizations by going beyond a mechanistic culture in organizations. In W. Küpers, S. Sonnenburg, and M. Zierold (Eds.), ReThinking Management: Perspectives and impacts of cultural turns and beyond, pp. 79–96. Wiesbaden: Springer.
[5] Shattering the status quo: A conversation with Haier’s Zhang Ruimin. (2021, July 27). McKinsey & Company. Retrieved January 19, 2022, from https://www.mckinsey.com/business-functions/people-and-organizational-performance/our-insights/shattering-the-status-quo-a-conversation-with-haiers-zhang-ruimin
[6] De Jaegher, H. and E. Di Paolo (2007). Participatory sense-making. An enactive approach to social cognition. Phenomenology and the Cognitive Sciences 6(4), 485–507.
[7] De Jaegher, H. (2019). Loving and knowing: reflections for an engaged epistemology. Phenomenology and the Cognitive Sciences 2019.
[8] Peschl, M.F., T. Fundneider, and A. Kulick (2015). On the limitations of classical approaches to innovation. From predicting the future to enabling „thinking from the future as it emerges“. In Austrian Council for Research and Technology Development (Ed.), Designing the Future: Economic, Societal and Political Dimensions of Innovation, pp. 454–475. Wien: Echomedia.
[9] Wenzel, M., H. Krämer, J. Koch, and A. Reckwitz (2020). Future and Organization Studies: On the rediscovery of a problematic temporal category in organizations. Organization Studies 41(10), 1441–1455.
[10] Scharmer, C.O. (2016). Theory U. Leading from the future as it emerges. The social technology of presencing (second ed.). San Francisco, CA: Berrett-Koehler Publishers.