Authors: Markus Peschl, Michal Matlon
Im Kern des traditionellen Strategieansatzes liegt die Annahme, dass Führungskräfte durch die Anwendung einer Reihe leistungsfähiger Analysewerkzeuge die Zukunft eines jeden Unternehmens so genau vorhersagen können, dass sie eine klare strategische Ausrichtung wählen können. In relativ stabilen Unternehmen funktioniert dieser Ansatz weiterhin gut. Aber er versagt, wenn das Umfeld so unsicher ist, dass keine noch so gute Analyse die Zukunft vorhersagen kann.“
Courtney, Kirkland, and Viguerie, 1997
Im vorangegangenen Blogbeitrag haben wir uns mit der Definition der VUCA-Welt beschäftigt und was sie für unsere Organisationen bedeutet. Wir haben erläutert, wie Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit die heutige Wirtschaft charakterisieren und was eine falsche Reaktion darauf bewirken kann. Dieses Mal werfen wir einen Blick auf das positive Potenzial der VUCA-Welt und schlagen vor, wie man davon profitieren kann.
Fragen für ein VUCA-Audit
Zunächst müssen wir eine Bewertung unserer Umgebung vornehmen. Baran und Woznyj haben eine Reihe von Fragen entwickelt, die sozusagen in einem „VUCA-Audit“ zusammengeführt sind. Diese Fragen sollten von Führungskräften und Mitarbeitern in der gesamten Organisation regelmäßig in verschiedenen Formaten gestellt, diskutiert und bearbeitet werden, z. B. in Teambesprechungen, Fokusgruppen, informellen Gesprächen oder regelmäßigen Umfragen.
Um ein Gefühl für die zu erwartende Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit zu bekommen:
- Was könnte sich schnell an der Organisation, der Branche oder dem Markt ändern?
- Welche Veränderungen in Wertesystemen, Benutzer-/Kundenpräferenzen oder Benutzerverhalten sind zu beobachten?
- Welche Aspekte der Organisation oder Branche sind unvorhersehbar? Sind wir uns dessen bewusst und wie gehen wir mit dieser Unvorhersehbarkeit um?
- Was sind die Netzwerke, in die wir eingebunden sind? Was sind unsere Rollen und (kausalen) Funktionen in diesen Netzwerken? Auf welche Weise sind wir von den Dynamiken in diesen Netzwerken abhängig und/oder können wir sie beeinflussen?
- Wo und wie fehlt es unserer Organisation oder Branche an Klarheit? Warum? Wie könnten wir das ändern?
Um ein Gefühl für das eigene Erfassungs- und Überwachungsverhalten zu bekommen:
- Wie kann ich mit den Trends in meinem Unternehmen, meiner Branche oder meiner Funktion in Kontakt bleiben?
- Wie oft werde ich von Entscheidungen oder Ereignissen überrascht, und warum?
- Hinterfrage und reflektiere ich die Strategie, die Prämissen und den Sinn (“Purpose”) unserer Organisation?
- Welche Ressourcen oder Beziehungen habe ich oder brauche ich, um mit den laufenden Änderungen Schritt zu halten?
- Wie viel Zeit verbringe ich damit, anderen zuzuhören, innerhalb und außerhalb meiner Organisation?
Um ein Gefühl für Veränderungen und Trends innerhalb der Organisation zu bekommen:
- Worüber wird in Meetings am meisten gesprochen?
- Was sind die kontroversesten Themen in unserer Organisation?
- Was sind die wichtigsten Trends innerhalb unserer Organisation oder Belegschaft?
- Was sind die häufigsten Themen in informellen Gesprächen unter Mitarbeitern?
- Was sind die zentralen Schwerpunkte unserer Strategiedokumente und Richtlinien? Machen sie für mich Sinn und kann ich mich mit ihnen identifizieren?
Um ein Gefühl für Veränderungen/Trends außerhalb der Organisation zu bekommen:
- Welche Vorschriften oder Gesetze beeinflussen unser Handeln und wie wahrscheinlich ist es, dass sie sich ändern?
- Welche Aspekte unserer Klienten oder Kunden verändern sich in Bezug auf das, was wir tun, und auf das, was sich in Markt und Umwelt verändert?
- Was machen unsere Mitbewerber, was wir wiederum nicht machen, und warum?
- Welche Aspekte der Branche könnten unseren Erfolg grundlegend beeinflussen?
Eine positive Version von VUCA
Um Organisationen zu schaffen, die in einer VUCA-Welt gedeihen können, müssen wir anfangen, letztere als Chance zu sehen und die notwendigen Mindsets und Fähigkeiten zu entwickeln, um sie zu nutzen. Sehr oft, ob als Unternehmen oder als Gesellschaft, befinden wir uns noch in einem Modus, in dem wir uns auf die Welt von gestern vorbereiten, anstatt die Chancen für eine gedeihende Zukunft zu schätzen, die eine VUCA-Umgebung ermöglicht.
Um dieser Vision gerecht zu werden, müssen wir VUCA auf den Kopf stellen und es in ein positives Licht rücken, damit:
- Volatilität zur Vision wird. (“from volatility to vision”)
- Aus Ungewissheit Verstehen wird. (“from uncertainty to understanding”)
- Aus Komplexität Klarheit wird. (“from complexity to clearity”)
- Aus Ambiguität Agilität wird. (“from ambiguity to agility”)
Das Potenzial, eine positive VUCA-Welt zu fördern – eine Welt, die auf Vision, Verständnis, Klarheit und Agilität basiert und nicht auf dem negativen, reaktiven Rahmen des Akronyms – kann am besten durch ein Systemverständnis erreicht werden, das darauf abzielt, günstige Lebensbedingungen zu ermöglichen. Wie könnte also eine positive Version der VUCA-Welt aussehen? Wie könnte sie uns zu einer gedeihenden Zukunft führen?
Lassen Sie Vision an die Stelle von Volatilität treten
Anstatt zu versuchen, die Volatilität zu bekämpfen und unter Kontrolle zu bringen, sollten wir die Chancen nutzen, die in der volatilen Dynamik verborgen liegen. Wenn Veränderung eine Konstante ist, liegt die Neuartigkeit in diesen unvorhersehbaren Ereignissen. Diese Elemente der Neuartigkeit zu identifizieren und ihnen einen Sinn zu geben, führt zur Schaffung einer Vision als Bild einer gewünschten Zukunft.
Wenn unsere Vision klar und kohärent ist, kann sie kommuniziert und geteilt werden. Laszlo schlägt vor, das zu entwickeln, was er „protopian frames“ nennt. Dabei handelt es sich um realistisch-optimistische Szenarien, die auf der Erstellung wünschenswerter und umsetzbarer Bilder der Zukunft basieren, sowie auf Lösungen, die dort hin führen. Solche Visionen beinhalten keine genauen Ziele, sondern geben einer Organisation oder Gesellschaft Richtung und Orientierung. Ein gewisses Maß an Flexibilität in den Zielen muss vorhanden sein, um unvorhergesehene Veränderungen auffangen zu können. Eine klare Vision gibt einer Organisation jedoch ein Werkzeug an die Hand, mit dem sie sich auf unbekanntem und unwegsamem Terrain zurechtfinden kann.
Unsicherheit mit Verständnis beantworten
Einer der Gründe, warum wir uns vor Ungewissheit fürchten, ist, dass uns Wissen und Verständnis für eine bestimmte Situation oder ein Phänomen fehlen. Infolgedessen können wir die Zukunft und die Auswirkungen unseres Handelns nicht vorhersagen. Genaues Beobachten und aufmerksames Zuhören führt nicht nur zu einem tieferen Verständnis der aktuellen Situation, sondern bereitet uns auch auf die Zukunft vor.
Wir müssen uns bewusst Zeit nehmen, um genauer hinzuhören. Wir sollten über das hinausschauen, was in unserer Umwelt, im Verhalten und in den Werten der Nutzer, in unseren sozialen Systemen, in Industrie und Technologie direkt zugänglich ist. Der Versuch, das, was um uns herum wirklich passiert, auf einer tieferen Ebene zu verstehen und die Reflexion unserer Wahrnehmungsmuster, sind alles Instrumente, die zu einer bedeutungsvolleren Ebene des Verständnisses führen. In den meisten Fällen wird dieses Verständnis den Grad der Unsicherheit und Angst reduzieren. Es wird alternative Perspektiven eröffnen, die wiederum neue Wege erschließen, mit unsicheren Zeiten umzugehen.
Reagieren Sie auf Komplexität mit Klarheit
Komplexität ist eine Tatsache, die der heutigen Welt eingeschrieben ist. Wir können weder die Augen davor verschließen noch können wir sie verleugnen. Der Weg, um der Komplexität Herr werden zu können, ist Klarheit. Wenn es um eine komplexe Situation geht, muss eine Führungskraft nicht unbedingt einen klaren Plan vorliegen haben, wie denn etwas zu tun ist, aber sie sollte sich über die Absicht klar sein, über das Warum und den Sinn (“Purpose”).
Wie in den meisten Fällen übersteigt eine komplexe Situation die kognitiven Fähigkeiten einer einzelnen Person. Es ist notwendig, in Teams zusammenzuarbeiten, um die Herausforderungen der Komplexität zu meistern. Daher ist es für eine Führungskraft wichtig, sehr klar zu kommunizieren und Anweisungen zu geben, um eine effiziente Zusammenarbeit zu ermöglichen. Wenn ein Team ein klares Verständnis der Absicht oder des “Purpose” hat, werden seine Mitglieder in der Lage sein, Lösungen für eine komplexe Situation zu entwickeln.
Ambiguität mit Agilität begegnen
Ist eine Situation mehrdeutig, unklar oder kann auf mehrere Arten interpretiert werden, erweisen sich zwei Fähigkeiten als zentral: Agilität und Anpassungsfähigkeit. Agilität ist eine notwendige individuelle und organisatorische Fähigkeit für den Umgang mit einer VUCA-Umwelt. Sie bedeutet die Fähigkeit, zu erspüren, zu reflektieren, flexibel zu reagieren, mutige Entscheidungen zu treffen und sich an schnelle Veränderungen anzupassen. Agilität kann auf Grundlage von intelligentem Experimentieren aufgebaut werden, was zur Reduktion von Mehrdeutigkeit führt. Zwei Methoden kommen zum Tragen, um Agilität zu fördern und mit einer VUCA-Umgebung umzugehen:
- Fühlen Sie sich den den “Takt” ein und erspüren Sie auf die systemimmanente Weisheit. Hören Sie zu und beobachten Sie das System, bevor Sie intervenieren. Versuchen Sie, die zugrundeliegenden Muster, die zu den Verhaltensweisen des Systems führen, zu verstehen und seine „innere Intelligenz“ einzuschätzen. Auf diese Weise ist es möglich, sich die inneren Dynamiken und Kräfte zunutze zu machen, die dem System helfen, sich auf nachhaltige Weise gleichsam selbst zu betreiben.
- Kommunizieren Sie auf transparente Weise. Informieren Sie regelmäßig über die Strategie und ihre Konsequenzen. Hören Sie den Teammitgliedern aktiv zu und gehen Sie auf ihre Ideen ein. Diskutieren Sie, warum und wie Entscheidungen getroffen werden, und machen Sie Pläne sichtbar.
Photo by Benjamin Davies on Unsplash
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