Wie man leistungsstarke Teams bildet

Autor: Carina Rohrbach

Ein Team zusammenzustellen, in der alle Mitglieder effektiv für ein gemeinsames Ziel arbeiten, ist eine echte Herausforderung – und gleichzeitig relevanter als je zuvor: Denn wir stehen vor großen gesellschaftlichen Schwierigkeiten (Klimakrise, Armut, ungleiche Einkommensverteilung usw.), die unsere zukünftige Lebensqualität stark beeinflussen und die höchstwahrscheinlich nicht von Einzelnen bewältigt werden können. 

Es besteht weitgehendes Einverständnis darüber, dass eine Gruppe von Menschen mit unterschiedlichem Informations- und Wissenshintergrund, unterschiedlichen Perspektiven und Fähigkeiten, kreativere Ideen und Lösungen entwickelt und bessere Ergebnisse erzielt. Abgesehen davon basieren neu entstehende Organisationsformen wie zum Beispiel Holacracy oder Teal-Organisationen auf einer radikal auf Teamarbeit fokussierten Struktur.  Als logische Konsequenz daraus müssen Unternehmen neue – teamorientierte – Denkweisen, Methoden und Fähigkeiten entwickeln und sich mit der Frage auseinandersetzen, wie man erfolgreiche Teams zusammenstellt, die effizient und effektiv auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. 

In der Praxis werden Teammitglieder leider oft nur aufgrund ihrer aktuellen (zeitlichen) Verfügbarkeit ausgewählt. Doch es zeigt sich immer deutlicher, dass nicht alleine die Verfügbarkeit einer Person das Hauptkriterium sein sollte, sondern das Vorhandensein bestimmter (Charakter)eigenschaften. Denn die Kombination herausragender Charaktereigenschaften unterscheidet Hochleistungsteams vom Durchschnitt.

Kommunikationsverhalten erfolgreicher Teams

Viele Forscher widmen sich derzeit der Frage, wie sich Teams verhalten, wenn sie Probleme lösen müssen  – zum Beispiel bei der Bearbeitung komplexer Kundenbeschwerden in einem Call Center. Alex Pentland vom Human Dynamics Lab (MIT) nennt in seinen Studien fünf Faktoren, anhand derer Teamleistung gemessen werden kann:

  1. Die Sprechzeit ist gleichmäßig zwischen den Teammitgliedern verteilt. Teammitglieder halten ihre einzelnen Wortmeldungen kurz.
  2. Die Mitglieder der Gruppe halten Augenkontakt miteinander. Das Gespräch ist angeregt, mit ausdrucksstarker Mimik und Gestik. 
  3. Teammitglieder kommunizieren und interagieren direkt miteinander, nicht primär über den Teamleiter.
  4. Teammitglieder sprechen auch abseits von Meetings miteinander.
  5. Die Mitglieder „verlassen“ das Team immer wieder, beschäftigen sich mit anderen Themen und kehren mit neuen Impulse zurück.

Interessanterweise widersprechen diese Erkenntnisse den Eigenschaften, die man traditionellerweise mit einem starken Team verbindet: individuelle Intelligenz oder besondere Fähigkeiten der einzelnen Teammitglieder, starke Persönlichkeiten oder inhaltliche Themenführerschaft. Doch tatsächlich sind die oben aufgezählten Interaktions- und Kommunikationsmuster die wichtigsten Faktoren für den Erfolg (oder das Scheitern) eines Teams. Dies verdeutlicht Pentland am Beispiel einer Bank aus einer von ihm durchgeführten Studie:


Drawing on that insight, we advised the center’s manager to revise the employees’ coffee break schedule so that everyone on a team took a break at the same time. That would allow people more time to socialize with their teammates, away from their workstations. Though the suggestion flew in the face of standard efficiency practices, the manager was baffled and desperate, so he tried it.

And it worked: average client handling time fell by more than 20% among lower-performing teams and decreased by 8% overall at the call center. Now the manager is changing the break schedule at all 10 of the bank’s call centers (which employ a total of 25,000 people) and is forecasting $15 million a year in productivity increases. He has also seen employee satisfaction at call centers rise, sometimes by more than 10%.

Alex „Sandy“ Pentland

Erkenntnisse aus Googles Forschungsprojekt “Aristoteles”

Unterstützt werden Pentlands Erkenntnisse auch durch das Längsschnittforschungsprojekt „Aristoteles“ bei Google. Das Ergebnis lässt sich mit einem Satz zusammenfassen: „Who is on a team matters less than how the team members interact, structure their work, and view their contributions.“

Als Ergebnis von “Aristoteles” identifizierte die folgenden fünf Schlüssel für erfolgreiche Google-Teams: 

  1. Psychologische Sicherheit
  2. Abhängigkeit der Team-Mitglieder voneinander
  3. Struktur & Klarheit über die Aufgabe
  4. Sinnhaftigkeit der Aufgabe
  5. Wirkung der Aufgabe

Was braucht es, um Pentlands fünf Faktoren der messbaren Teamleistung in den Arbeitsalltag zu integrieren? Vor allem Vertrauen und psychische Sicherheit sind von großer Bedeutung (“Teammitglieder fühlen sich sicher genug, um Risiken einzugehen und zeigen sich voreinander verletzlich.”). Ohne wechselseitiges Vertrauen sind die fünf Faktoren nicht empirisch beobachtbar, da sich die Teammitglieder nicht trauen, offen zu sprechen und den “ersten Schritt zu tun”.  Die Früchte der Zusammenarbeit werden für die eine Sicherheit geopfert. Vertrauen wird oft definiert als „die Bereitschaft, verletzlich zu sein“. 

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Warum ist Vertrauen so wichtig? Weil wir in einer Welt der Unsicherheit und Unvorhersehbarkeit leben. Deshalb müssen wir bei unseren Entscheidungen Risiken eingehen (und die damit einhergehende Verletzlichkeit in Kauf nehmen). Könnten wir alles, was wir vorhaben, in absoluter Sicherheit machen, bräuchten wir ohnehin keine Teams, um Ideen und Lösungen zu entwickeln. Daher ist Vertrauen ein wichtiger Bestandteil jedes Sozialsystems und ermöglicht ein koordiniertes und zielgerichtetes Handeln der Teammitglieder.

Erfolgreiche Teams lernen schneller 

Ein weiterer Aspekt Teamleistung zu messen ist die Geschwindigkeit, mit der ein Team lernt, zum Beispiel wenn es um die Ausübung einer neuen Fertigkeit geht. Amy Edmondson, Organisationsverhaltensforscherin an der Universität Harvard, beobachtete die Lerngeschwindigkeit von 16 chirurgischen Teams beim Erlernen einer neuen Herzchirurgie-Technik namens MICS (d.h. minimal-invasive Herzchirurgie). Die Ergebnisse fielen in zwei Gruppen – Teams mit hoher Erfolgsquote und Teams mit niedriger Erfolgsquote.

Ausgehend von ihren Ergebnissen identifizierte Edmondson fünf Faktoren, die die jeweiligen Teams kennzeichneten:

  1. Framing: Erfolgreiche Teams sahen MICS als eine Lernerfahrung, die den Patienten und dem Krankenhaus zugute kommen würde. Erfolglose Teams sahen MICS als eine Zusatztechnik zu bestehenden Praktiken.
  2. Rollen: Erfolgreiche Teams wurden von ihren Teamleitern darüber informiert, warum ihre individuellen und kollektiven Fähigkeiten für den Erfolg der Gruppe wichtig waren und warum es für alle wichtig war, gemeinsam als Team zu arbeiten. Diese Informationen wurden der erfolglosen Gruppe vorenthalten.
  3. Üben: Erfolgreiche Teams übten das Verfahren in Trockentrainings, bereiteten sich detailliert vor, erklärten die neuen Protokolle und sprachen viel über die notwendige neue Art der Kommunikation. Erfolglose Teams hingegen unternahmen nur minimalste Vorbereitungsschritte.
  4. Explizite Ermutigung, die eigene Meinung zu sagen: Erfolgreiche Teams wurden von ihren Teamleitern ermutigt, sich zu äußern, wenn sie ein Problem sahen, und wurden dabei aktiv durch Feedback betreut. Die Leiter von erfolglosen Teams coachten ihr Team weniger, und so zögerten die Gruppenmitglieder, sich zu bestimmten Themen oder Problemen zu äußern.
  5. Aktive Reflexion: Zwischen den Operationen reflektierten erfolgreiche Teams ihre Leistung, diskutierten zukünftige Fälle und schlugen Verbesserungen vor. So trug beispielsweise der Teamleiter von Mountain Medical während der Operation eine Kopfkamera, um spätere Diskussionen und Feedback zu erleichtern. Erfolglose Teams tendierten dazu, dies nicht zu tun.

Zusammengefasst kann man sagen, dass sich erfolgreiche Teams darauf konzentrieren, einen gewünschten gesamtheitlichen Wandel herbeizuführen, während erfolglose Teams lediglich die Umsetzung eines Projekts im Fokus haben.

Photo by Ted Bryan Yu on Unsplash

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