Innovation ist ein Begriff, der derzeit in aller Munde ist. Dabei wird er in den meisten Fällen recht inflationär beziehungsweise unreflektiert benutzt. Auch in der Literatur finden sich viele unterschiedliche Definitionen und Herangehensweisen. Um Klarheit über den breiten Innovations-Begriff und eine einheitliche Bedeutung zu erzielen, geben wir hier eine kurze Übersicht bzw. Zusammenfassung zur Frage “Was ist Innovation?”.
Ein Zitat von Fariborz Damanpour, Professor an der Rutgers Universität, beschreibt Innovation in einem sehr umfassenden Sinn und gibt die wichtigsten Aspekte wider:
“Innovation is conceived as a process that includes the generation, development, and implementation of new ideas or behaviors. Further, innovation is conceived as a means of changing an organization, either as a response to changes in the external environment or as a preemptive action to influence the environment. Hence innovation is here broadly defined to encompass a range of types, including new products or services, new process technologies, new organizational structures or administrative systems, or new plans or programs pertaining to organizational members.”
(Damanpour, p 694) [Hervorhebungen durch Autor]
Was ist Innovation?
- Innovation ist nicht nur ein fertiges Produkt, sondern ein Prozess.
- Innovation hat einen “Neuigkeitswert”.
- Um eine Innovation zu einer Innovation zu machen, reicht eine gute Idee alleine nicht aus. Eine Innovation wird erst dann zu einer Innovation, wenn die neue Idee erfolgreich im Markt implementiert wurde.
- Innovation manifestiert sich in neuen Verhaltensweisen, die den UserInnen einen neuen Wert bringen bzw. einen (u.U. noch nicht bekannten) “Need” erfüllen.
- Innovation setzt Veränderung in der Organisation voraus: Nachhaltige Innovation kann erst dann entstehen, wenn sich die Organisation selbst (und ihre MitarbeiterInnen) verändert und sich dem Neuen öffnet. Dieses Öffnen der Organisationen für Neues nennt man auch die Entwicklung von “organizational innovation capacities/capabilities”.
- Innovation entsteht häufig als eine Reaktion auf Veränderungen in der Umwelt, am Markt, durch das Auftreten neuer Mitbewerber, durch die Entstehung neuer Technologien und neuer (User)Needs, etc.
- Eine fortgeschrittene Form von Innovation besteht darin, nicht nur auf Veränderungen zu reagieren, sondern ebendiese Veränderungen proaktiv herbeizuführen. Das heißt, Innovation verändert die Umwelt und den Markt, sie schafft neue Nischen und neue User Needs.
- Innovation beschränkt sich nicht nur auf (materielle) Produkte. Sie manifestiert sich unter anderem auch in neuen Dienstleistungen, neuen Services, neuen Prozessen, neuen Business-Modellen und organisationalen Veränderungen.
- Innovation hat etwas mit der Schaffung neuer Interpretationsräume zu tun. Es geht um die Kreation neuer Bedeutungen und neuer Zwecke und Ziele (“purposes”) sowie um deren sozio-ökonomische Implementierung.
Strategien der Innovation
Um den oben genannten Ansprüchen an Innovation zu begegnen, lassen sich unterschiedliche Strategien und Herangehensweisen unterscheiden:
A. Innovation als (lineare) Extrapolation aus der Vergangenheit
Diese Innovationsstrategie beginnt mit einem Blick in die Vergangenheit und überträgt daraus die Erfolge (z.B. erfolgreiche Produkte, Services, Strategien, etc.) in die Zukunft. So nimmt man etwa ein erfolgreiches Produkt als Ausgangspunkt und verändert nur einen kleinen Aspekt daran. Oder man führt ein Brainstorming oder einen Kreativ-Workshop durch, wobei meist ältere Ideen in den Raum gestellt und neu miteinander kombiniert werden. Dieses Konglomerat wird danach linear in die Zukunft projiziert und angewendet. Da die dabei entstehenden Innovationen primär von der Vergangenheit getrieben sind, enthalten sie relativ wenig Zukunftsperspektiven. In manchen Fällen entstehen aus einem solchen Vorgehen zwar trotzdem radikale Innovationen, diese sind aber meist zu sehr “out-of-the-box” oder “zu kreativ”. Häufig verstehen sie relevante User Needs nicht oder können sie nicht erfüllen; häufig werden sie auch am Markt oder an der Zukunft “vorbei“ entwickelt.
B. Innovation als Trial-and-Error-Learning
Ähnlich wie bei der Extrapolation aus der Vergangenheit ist auch hier das bereits Bestehende der Ausgangspunkt des Innovationsprozesses. Das Neue entsteht durch Adaptionen, die einer trial-and-error Strategie folgend in einem Versuch-und-Irrtum-(Lern-) Prozess Schritt für Schritt weiterentwickelt werden. Dementsprechend fallen auch die so entstandenen Innovationen relativ konservativ aus. Diesen Prozess sowie die dabei hervorgebrachten Innovationen bezeichnen wir auch als “inkrementelle Innovation”. Diese Vorgangsweise kommt häufig in der weit verbreiteten Stage Gate Innovationsstrategie zur Anwendung.
C. Innovation als “Learning from the future as it emerges” – Emergente Innovation (leap)
Diese Strategie stellt bisherige Vorgangsweisen auf den Kopf: Ausgangspunkt der Innovation ist nicht die Vergangenheit oder bereits Bestehendes, sondern die Zukunft. Genauer gesagt die (Zukunfts-)Potentiale. Ausgangspunkt der Innovation ist eine tiefe Kenntnis des Innovationsgegenstandes – seines innersten “Kerns” – sowie seiner Potentiale und des Ökosystems, in das er eingebettet ist. Aus dieser Kenntnis versucht man zu verstehen und zu explorieren, was aus ihm “entstehen” will. Dies ist ein Prozess des “Lernens aus der Zukunft”. Diesen Prozess verfolgt auch Otto Scharmer mit seinem Ansatz des Presencing. Peschl und Fundneider haben hierfür mit leap das Konzept der “Emergenten Innovation“ entwickelt.
Es ist nicht so sehr die eigene Kreativität, sondern vielmehr der Gegenstand selbst, der zeigt, was Neues entstehen will. In gewisser Weise tritt man in einen Austausch, in eine enge Kooperation mit den Potentialen des Innovationsgegenstandes. Man schafft ein Umfeld, einen “Enabling Space”, der das Hervorbringen des Neuen ermöglicht und unterstützt. Die so entstehenden Innovationen haben ihren Ursprung im Gegenstand selbst und in seinen ungenutzten Potentialen – in dem “not yet”. Auf diese Weise können Innovationen entstehen, die einerseits radikal neu und andererseits anschlussfähig sind. Die Anschlussfähig der Innovationen bezieht sich auf mentale Modelle, auf teilweise noch unbekannte User Needs, auf Veränderungen am Markt und in Organisationen.
Die so entstehenden Innovationen sind nicht nur “out-of-the-box”, sondern auch nachhaltig. Sie zielen auf eine “thriving unfolding future“, auf eine fruchtbare Entfaltung der Zukunft, ab. In vielen Fällen entstehen dabei neue Nischen, die zuvor als solche noch gar nicht wahrgenommen wurden und plötzlich einen neuen Bedeutungsraum und “purpose” ermöglichen.
Für einen solchen Innovationsprozess braucht es neue Fähigkeiten (Skills), neue Haltungen und neue Denkweisen (Mindsets). Darunter fallen radikale Offenheit, ein “Sinn/Sensorium für Potentiale” und aufkommende Chancen (“emerging opportunities”), Geduld, tiefes Verstehen, (teilweise) Aufgabe der Kontrolle und die Fähigkeit, sich Unsicherheiten auszusetzen. Außerdem muss man bereit sein, seine eigenen Prämissen und Muster der Wahrnehmung und des Denkens nicht nur zu hinterfragen, sondern auch zu verändern.
Tiefere Einblicke ins Thema “Learning from the future as it emerges” und “Innovation von Innen heraus” bekommen Sie in den folgenden Blogposts.
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Weiterführende Literatur:
Peschl, M.F. and T. Fundneider (2013). Theory-U and Emergent Innovation. Presencing as a method of bringing forth profoundly new knowledge and realities. In O. Gunnlaugson, C. Baron, and M. Cayer (Eds.), Perspectives on Theory U: Insights from the field, pp. 207–233. Hershey, PA: Business Science Reference/IGI Global.
Peschl, M.F., T. Fundneider, and A. Kulick (2015). On the limitations of classical approaches to innovation. From predicting the future to enabling “thinking from the future as it emerges”. In Austrian Council for Research and Technology Development (Ed.), Designing the Future: Economic, Societal and Political Dimensions of Innovation, pp. 454–475. Wien: Echomedia.
Peschl, M.F. and T. Fundneider (2017). Uncertainty and opportunity as drivers for re-thinking management: Future-oriented organizations by going beyond a mechanistic culture in organizations. In W. Küpers, S. Sonnenburg, and M. Zierold (Eds.), ReThinking Management: Perspectives and impacts of cultural turns and beyond, pp. 79–96. Wiesbaden: Springer.
Quellen:
Damanpour, F. (1996) Organizational Complexity and Innovation: Developing and Testing Multiple Contingency Models. Management Science, 42, 693-716.
Image: Martin Adams at Unsplash