Angesichts der Tatsache, dass die Frage nach der Zukunft der Arbeit immer drängender wird, vernehmen wir eine immer größere Fülle unterschiedlichster Antworten. Diese berufen sich oft auf ein Patentrezept. Doch unterschiedliche urbane Ökosysteme sind mit ebenso unterschiedlichen Bedingungen konfrontiert. Während einige Gebiete wachstumsstarke Innovationszentren sind, kämpfen andere mit stagnierenden Wachstumszahlen. Doch diese Unterschiede sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sämtliche urbane Ökosysteme mit all jenen Herausforderungen konfrontiert sind, welche die Zukunft der Arbeit unweigerlich mit sich bringt – keines der hier dargestellten Ökosysteme kann daher auf eine strategische Erneuerung verzichten.
Die fünf urbanen Ökosysteme
Schauen wir uns zunächst ein Beispiel an: die USA. In Amerika kann man fünf verschiedene Arten von städtischen Ökosystemen identifizieren. Wir haben sie für Sie in einer Infografik zusammengestellt, wollen sie aber auch in dem vorliegenden Beitrag etwas näher beschreiben.
Urbaner Kern
Der typische Stadtkern einer amerikanischen Stadt wie New York ist ein Zentrum mit hohem Wachstum. Er beherbergt Branchen wie Finance, Medien und die Hightech-Industrie. Das Beschäftigungswachstum und das Einkommen sind hoch, die Arbeitskräfte sind jung und gut ausgebildet. Doch obwohl das Einkommen über dem Durchschnitt liegt, ist wiederrum die Ungleichheit stark ausgeprägt. Zudem ist der Stadtkern stark verdichtet, sodass es an erschwinglichem Wohnraum mangelt.
Es ist daher von entscheidender Bedeutung, die Zahl erschwinglicher Wohnungen zu erhöhen und die Verkehrsanbindung an das Zentrum zu verbessern – und da die Ungleichheit hoch ist, sollte für marginalisierte Bevölkerungsgruppen niederschwelliger Zugang zu Ausbildung/Bildung geschaffen werden.
Urbane Peripherie
Der Kern von Großstädten wie New York steht jedoch vor anderen Herausforderungen als deren Peripherie. Auf der einen Seite bietet das Stadtzentrum keinen erschwinglichen Wohnraum in der Nähe von Arbeitszentren. Die Peripherie hingegen ist billiger, aber naturgemäß abgelegen. Sie zieht junge, gebildete Arbeitskräfte an, die in das Zentrum pendeln. Wie der Stadtkern selbst ist auch seine Umgebung einer lebendigen, starken Migration ausgesetzt. Seine Einwohner sind jünger als der amerikanische Durchschnitt und auch sie sind gut ausgebildet. Allem voran ist die Peripherie wirtschaftlich vom Stadtkern abhängig. Lokale Dienstleistungen, der Einzelhandel und die Logistik gelten jedoch als die wirtschaftlichen Hauptakteure vor Ort. Daher ist es wichtig, Investitionen in hochwertige Unternehmen anzuziehen, um den Standort über die Peripherie hinaus zu diversifizieren.
Nischenstädte
Im Vergleich dazu gibt es in kleineren “Nischenstädten” eine große Zahl von Menschen mit tertiärer Bildung. Der Grund dafür ist, dass sie oft Universitäten beheimaten. Ihre Bevölkerung ist jung und gut ausgebildet. Sie sind aber auch in ständigem Wandel begriffen, was zu einem anhaltenden “Braindrain” führt. Es wird daher empfohlen, Anreize für Startup-Cluster zu schaffen, um Hochschulabsolventen vor Ort zu halten, um so den Standort zu bereichern.
Sowohl städtische Gebiete als auch Nischenstädte weisen also ein hohes Wachstumspotenzial auf.
Aber 48% der amerikanischen Bevölkerung leben einerseits in der “gemischten Mitte” und andererseits in ländlichen Gebieten mit niedrigem Wachstumspotenzial.
“Mixed Middle”: Die gemischte Mitte
Ein Viertel der US-Bevölkerung bildet die “gemischte Mitte” (“Mixed Middle”). Solche Städte sind stabile Produktionszentren. Sie gelten als “Amerikas Macher”. Sie befinden sich zwar in keiner wirtschaftlichen Notlage, es fehlt ihnen dennoch an wirtschaftlichem Schwung. Ihr Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum ist dementsprechend niedrig. Die Arbeitslosigkeit ist überdurchschnittlich hoch, und die Erwerbsbevölkerung hat ein etwas niedrigeres Bildungsniveau. Die Prognosen für manche dieser Städte fallen einmal besser, einmal schlechter aus, sind also weder im positiven noch negativen Sinne herausragend. In solchen Ökosystemen ist wesentlich, klare Wertversprechen darzulegen. Das kann weitere Investitionen anziehen, das Personal am Standort halten und natürlich Arbeitslosigkeit vermeiden.
Ländliche Gebiete
Und schließlich leben 24% der amerikanischen Bevölkerung in ländlichen Gebieten mit geringem Wachstum. Viele dieser Gebiete beherbergen ehemalige Industriestädte mit einer sich abmühenden Wirtschaft. In der Regel ist die Arbeitslosigkeit höher. Die jungen Arbeitskräfte neigen dazu, wegzuziehen und das Bildungsniveau liegt deutlich unter dem amerikanischen Durchschnitt. Hier ist es entscheidend, Ankerindustrien zu identifizieren und wiederzubeleben, um so auf lokale Vorteile zu setzen.
Unsere Infografiken zeigen die Unterschiede zwischen den amerikanischen städtischen Ökosystemen auf einen Blick. Natürlich lässt sich unser Beitrag daher nicht ohne weitere Erklärung auf Europa anwenden. Es lohnt sich aber dennoch, die hier beschrieben Unterscheidungen auch im europäischen Kontext zu denken – auch um den negativen Entwicklungen hin zur dargelegten Segregation entgegenzuwirken.
Source: The Future of Work in America, McKinsey Global Institute, 2019 – graphics adopted by theLivingCore
Abbildung: Jonathan J. Castellon bei Unsplash
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