– durch “Single, Double, Triple Loop Learning”
Wir leben in einer wissensgetriebenen Gesellschaft, in der die Generierung und erfolgreiche Nutzung von neuem Wissen ein entscheidender Wettbewerbsfaktor ist – für die einzelne Person, aber auch für Unternehmen. Die Gestaltung von Lern-Settings, in denen nicht nur altes Wissen vermittelt, sondern vorrangig neues, noch unbekanntes Wissen „gehoben“ wird.
“Die Freude des Staunenden ist die Freude eines Beginnenden, eines auf immer noch Neues, Unerhörtes gefassten und gespannten Geistes.”
(Pieper, 2003, p. 68f)
Bei allen – großteils positiven – Veränderungsbemühungen in Bezug auf Lehr/Lerninhalte, -methoden und –räume besteht doch oft die Tendenz, dass die Lernenden reduziert werden auf Objekte, denen es neue Skills und Methoden “anzutrainieren” gilt.
Damit Menschen sich jedoch wirklich auf Lernen – im Sinne einer radikalen Erneuerung des bestehenden Wissens – einlassen, ist es notwendig, den Menschen in seiner Einzigartigkeit in den Mittelpunkt zu stellen, und zu fragen: “Was ist der Mensch? Was bedeutet eine ganzheitliche Sicht auf den Menschen als lernendes Wesen? Wie muss dieser Mensch sich selber verändern, damit das Gelernte nicht nur abstrakt bleibt, sondern mit Leben erfüllt wird?”
“Der Mensch im Mittelpunkt” – Implikationen für Lern- und Wissensprozesse
Der Mensch ist ein Lebewesen, in dem drei Ebenen eng zusammen spielen:
- die vegetative Ebene: diese Ebene umfasst Aspekte wie Nahrungsaufnahme, (körperliches) Wachstum, Fortpflanzung und Handeln.
- die sensible Ebene: diese Ebene betrifft Wahrnehmung (“Wie nehme ich die Welt über meine Sinne wahr?”) und Emotionen (“Wie empfinde ich die Welt?”).
- die geistige Ebene: hier geht es um das tiefer Verstehen der Welt, in dem, was sie ist und bedeutet, um Haltungen und Werte sowie darum, diese Welt aus diesem Verstehen und den Haltungen heraus zu verändern – durch bewusste Entscheidungen (freier Wille). Jeder Vorgang des Verstehens und der freien Willensentscheidung führt zu (geistigem) Wachstum.
Die vegetative, sensible und geistige Ebenen sind eng miteinander verbunden. Ich kann zB nur etwas wollen (im Sinne von mich willentlich frei Entscheiden), nachdem ich es wahrgenommen und verstanden habe, wie ich dazu emotional eingestellt bin.
Ein gelungenes Design von Lehr/Lern-Settings berücksichtigt alle drei der oben beschriebenen Ebenen. Nur so kann Lernen der Ganzheit des Menschen gerecht und der Lernerfolg gesteigert werden.
Eine solch integrative Konzeption ist eine Herausforderung: Im Idealfall werden (abstrakte) Inhalte auch immer mit einer emotionalen Komponente aufgeladen und zB mit einer visuellen Darstellung, die über die Sinne wahrnehmbar ist, kombiniert. Bestenfalls gehen diese Lerninhalte mit einer konkreten Handlung oder Übungen einher und werden so besser verstehbar und erlebbar gemacht. Tatsächlich wird in den meisten Lern-Settings jedoch nur eine der drei Ebenen angesprochen – der Lernerfolg bleibt dementsprechend oft weit unter den Erwartungen.
Lehr/Lernstrategien, um ganzheitliches Lernen zu ermöglichen
Lineares Lernen
Immer noch ein Klassiker und weit verbreitet sind lineare Lern-Settings: ein Lehrender (“Wissender”) trägt den Stoff vor und die Lernenden (“Unwissenden”) hören zu (und schreiben mit). In linearer Weise geschieht die Aneignung des Lernstoffes aber zum Beispiel auch über den Konsum von Texten, Büchern, Webseiten, Fernsehen etc. Das Wissen wird quasi wie ein Objekt “downloaded”, auswendig gelernt und “1 zu 1” wiedergegeben.
Annahmen hinter dieser Lernstrategie
- Wissen wird als ein statischer Gegenstand gesehen, dessen Bedeutung nicht bzw. kaum verhandelbar ist: Es geht darum, Gelerntes möglichst genauso wiederzugeben, wie man es gehört oder gelesen hat (und es nicht notwendiger Weise verstanden zu haben).
- Lernen findet im (individuellen) Kopf statt: Wissen wird von einem Gehirn zum anderen weitergegeben, Lernen besteht nicht aus Interaktion, sondern durch das relativ passive Aufnehmen des Lernstoffs.
- Beim linearen Lernen findet so gut wie keine Reflexion über den Lernstoff statt, die Inhalte werden mechanisch vermittelt und gelernt. Dies führt zu einem Lernen ohne Verstehen: Inhalte können aufgenommen und wieder gegeben werden, auch wenn sie nicht verstanden wurden.
Beispielhafte Methoden für lineares Lernen sind unter anderem: Vortrag, Frontalunterricht, Lernen aus Lehrbüchern, Filmen und Web-Dokumenten.
Was wird vermittelt: Faktenwissen.
Single Loop Learning
Single Loop Learning fokussiert auf das Wie bzw. das Funktionieren eines Phänomens. Single Loop Learning ist eine relativ konservative Lernstrategie: was bereits gut funktioniert, wird nicht hinterfragt oder verändert.
Annahmen hinter dieser Lernstrategie
- Wissen ist ein dynamischer Prozess und entsteht aus der (direkten) Interaktion und aus unseren Erfahrungen mit der Umwelt. Dabei passen sich Wissensstrukturen an die Umweltstrukturen an.
- Lernen ist ein Trial-and-Error Prozess: Fehler in der Vorhersage lösen einen Lernprozess aus und führen zu einer Veränderung des Wissens. Eine offene Haltung gegenüber „Fehlern“ ist eine notwendige Voraussetzung hierfür.
Das dabei entstehende Wissen fokussiert sich auf die Frage: “Wie funktioniert etwas?” Es ist ein Konstrukt, das sich permanent und mit jeder Interaktion verändert. Beim Single-Loop Learning findet keine Reflexion über Annahmen statt (im Sinne von “Warum funktioniert das so, wie es funktioniert?” und “Könnte es grundsätzlich auch anders funktionieren?”).
Beispielhafte Methoden: Lernen an einem Objekt, Lernen aus der direkten (subjektiven) Erfahrung, Rollenspiele, Prototyping.
Was wird vermittelt: Erfahrungswissen, Skills.
Double Loop Learning
Double Loop Learning geht davon aus, dass Wissen immer in einen Referenzrahmen von subjektiven Annahmen und Sichtweisen auf Alltagsphänomene eingebettet ist. Annahmen entstehen u.a. als Resultat unserer Interaktion mit der Umwelt, aus kulturellen Lernprozessen, Erziehung, etc. Sie bestimmen den Bedeutungs- und Interpretationsraum des Wissens und sind in den meisten Fällen nicht explizit. Allerdings sind Annahmen veränderbar, wenn wir uns für Reflexion und Hinterfragen öffnen können.
Double Loop Learning zielt darauf ab, Annahmen nicht nur explizit zu machen, sondern diese auch systematisch zu verändern. Dadurch entsteht ein neuer Bedeutungsraum, in dem bereits bekannte Phänomene von einer neuen Perspektive, aus einem neuen Blickwinkel gesehen werden können. Ein eingängiges und bekanntes Beispiel dafür ist zB der Paradigmenwechsel vom geozentrischen zum heliozentrischen Weltbild. Diese neue Perspektive auf die Welt machte zB die moderne Schiffahrt erst möglich.
Beim Double Loop Learning werden Prämissen und Annahmen reflektiert, hinterfragt und verändert – und dadurch werden neue Wissensräume und letztlich neue Handlungs- und Interaktionsräume geschaffen.
Beispielhafte Methoden: Dialog, Reflexion, Stukturlegetechnik, Lehrender versteht sich als Coach.
Was wird vermittelt: Verstehen und Einsicht über die eigenen Annahmen des Denkens sowie die Fähigkeit, diese Annahmen zu verändern.
Triple Loop Learning
Während Single und Double Loop Learning primär auf Veränderungen in der kognitiven und affektiven Ebene abzielen, steht im Triple Loop Learning nach Markus Peschl die individuelle Person mit ihren Werten und ihren Haltungen im Vordergrund (existenzielle/geistige Ebene). Beim Triple Loop Learning geht es nicht mehr primär um das Erlernen von Skills oder Wissen, sondern um persönliche Veränderung/Transformation – um Werte, Haltungen und Habitus. Zeitlich erstreckt sich das Triple Loop Learning meist über einen längeren Zeitraum als die beiden anderen Formen des Lernens. Es handelt sich hierbei um tiefe Veränderungen des Menschen, um das Reifen einer Person, um ein “zu-sich-selbst-Finden”.
Das Triple Loop Learning ist daher auch die schwierigste Form des Lernens, da es sehr persönlich ist und es “um einen selbst” geht. Es bedarf eines starken Willens zur persönlichen Veränderung und geht über Wissen und Können hinaus.
Beispielhafte Methoden: Theory U (nach Otto Scharmer), frame (theLivingCore) unterschiedliche Formen einer Therapie, Formation, das Stellen existentieller Fragen, tiefgreifende Erlebnisse (“life changing events”).
Was wird vermittelt: Verstehen und Einsicht über die eigenen Werte und Haltungen; Einsicht über die eigene Bestimmung (“Was will das Leben von mir?”); Klarheit über Unterschiede oder Übereinstimmungen der persönlichen Werte und Haltungen mit den Werten des Unternehmens; Fähigkeit, (tägliche) Handlungen auf die eigenen (gewünschten) Werte und Haltungen zu beziehen bzw. diese miteinander zu verknüpfen.
Organisationen verfügen im Prinzip über einen unendlichen Schatz an Wissen; damit einher geht umfassende Macht – und Verantwortung -, die (wirtschaftliche, ökologische, soziale, politische) Zukunft zu gestalten. Die Konzeption von ganzheitlichen Lern-Settings, die nicht nur auf Wissensvermittlung oder Skill-building abzielen, sondern den ganzen Menschen mit seinen individuellen Lebensfragen und Potenzialen im Blick haben, ist daher nicht nur eine ökonomisch relevante Aufgabe, sondern auch ein Dienst an der Gesellschaft.
Wir sind davon überzeugt und die Erfahrung in vielfältigen Projekten zeigt, dass das Konzept des Triple Loop Learning für diese Herausforderung sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebene zukunftsweisende Handlungsanleitungen geben kann.
Weiterführende Literatur:
Argyris, C and D.A. Schön (1978). Organizational learning: a theory of action perspective. Reading, MA: Addison-Wesley.
Argyris, C. and D.A. Schön (1996). Organizational learning II. Theory, method, and practice. Redwood City, CA: Addison-Wesley.
Peschl, M.F. (2007). Triple-loop learning as foundation for profound change, individual cultivation, and radical innovation. Construction processes beyond scientific and rational knowledge. Constructivist Foundations 2(2-3), 136–145.
Tsoukas, H. and N. Mylonopoulos (Eds.) (2004). Organizations as knowledge systems. Knowledge, learning and dynamic capabilities. Basingstoke, New York: Palgrave Macmillan.
Image: Timo Volz at Unspash